Gustav Alvermann, Land & Forst 40/2025

Bio-Produktivität ist ein Muss

Mit standortangepassten Maßnahmen lassen sich die N-Verfügbarkeit und die Erträge im ökologischen Anbau steigern. Pioniere beschreiben Standort-Lösungen aus der norddeutschen Tiefebene.

Unlängst hieß es in einem Kommentar zu einem Krimi „Der Ort einer Handlung ist alles“. Auch in der Landwirtschaft bedeutet der Ort – genauer der Standort – fast alles. Und wenn die Handlung des Landwirts nicht dazu passt, dann wird’s manchmal auch zu einem „Krimi“

Ein aktuelles Beispiel für den wichtigen Einfluss des Standortes liefert die wissenschaftliche Auswertung des „DOK“- Versuches in der Schweiz. DOK steht für dynamisch, organisch und konventionell und bezeichnet einen Vergleichsversuch entsprechender Ackerbausysteme. Die zentrale Schlussfolgerung nach 40 Jahren: „Bio-Produktions-Systeme liefern 85 % des konventionellen Ertrages“

Wäre das in Deutschland auch so, dann hätte der aktuelle Bio-Markt wahrscheinlich kein Rohstoff-Problem und der Öko-Landbau hätte längst einen Flächenanteil, der dem politisch avisierten auch nur halbwegs nahe kommt. In Deutschland sind wir froh, wenn Bio heute die Hälfte des konventionellen Ertrages erntet – zumindest beim flächendominanten Getreide. Mais steht auf einem anderen Blatt und ist ein Teil der Lösung.

Langjährige Versuche

Der Vergleich in der Schweiz kommt pauschal zu einem äußerst positiven Ergebnis für den Öko-Landbau und das hat seine Gründe:

  • Die Bio-Landwirtschaft funktioniert dort so, wie man sich das vorstellt: „Stickstoff wird parallel zum Bedarf der Kulturpflanzen durch Bodenbakterien freigesetzt“ – bei jeweils 100 mm warmem Regen im Mai und Juni funktioniert das.
  • Holländische Berufskollegen haben die konventionelle Vergleichs-Variante beim Start des Versuches seiner Zeit so kommentiert: „Bei uns ist das eher bio als konventionell“. Der Vergleich wird nach wie vor mit einer konventionellen Stickstoff-Intensität gefahren, die so nur noch in der abgeschotteten Schweiz funktioniert. In Deutschland entspräche das Niveau der Intensität Ende der 1960er Jahre.
  • Man unterstellt für die beiden Bio-Varianten selbstverständlich das bäuerliche Gemischt-System mit guter Proportion zwischen Fläche und Tierhaltung – so wie bio am besten funktioniert und so, wie es in fast allen Bio-Versuchsbetrieben in Deutschland auch praktiziert wird. Unsere Versuchsbetriebe laufen derweil aber Gefahr, zunehmend einen retrospektiven Blickwinkel einzunehmen. Denn das bäuerliche Gemisch-System ist deutlich auf dem Rückzug. Entweder halten landwirtschaftliche Betriebe heute ganz viele Tiere – und stellen dann meistens auch nicht um auf eine Öko-Haltung – oder sie arbeiten als Ackerbauern mit wenig oder ganz ohne Tierhaltung. Die Spezialisierung führt zu Rationalisierungs-Effekten, auf die auch die Bio-Praxis selten verzichtet, will sie im Konkurrenzkampf um Fläche und Arbeitsentlohnung mithalten. Gerade noch ein Prozent der Umsteller auf Ökolandbau konnten in Niedersachsen im Jahre 2021 der Betriebs-Struktur „gemischt“ zugeordnet werden. Das ist übrigens auch die Haupt-Faktor für die begrenzten Umstellungsaktivitäten aktuell: spezialisierte Betriebe mit hohen Pachten.

Konkurrenzfähigkeit

Neben der wenig passenden Betriebstruktur schlägt sich die regionale Praxis mit weiteren Herausforderungen herum. Der Frühsommer ist meistens trocken und begrenzt die natürliche Stickstoff-Mobilisierung; derweil hält sich die konventionelle Stickstoff-Intensität auch nach Abregelung durch die Düngeverordnung bei nahezu 200 kg N pro Hektar. Es sind überwiegend drei Faktoren, die über die regionale Konkurrenzfähigkeit des BioAnbaues entscheiden:

  • Die natürlichen Bedingungen für Öko-Landbau
  • Die bestehenden Betriebsstrukturen
  • Die Leistungsfähigkeit der vorherrschenden konventionellen Alternative

Die Ausprägung dieser drei Faktoren ist bei uns komplett anders als im DOK-Versuch. Die Vorzüglichkeit des ökologischen Landbaues zeigt sich individuell im einzelnen Betrieb. Will Öko-Landbau sich weiter entwickeln, so ist eine angemessene Produktivität das Gebot der Stunde. Bio-Ackerbau wird sich in den Betrieben und Regionen etablieren, wo er ganz besonders gut funktioniert.

Produktivität steigern

Ein Beispiel ist Ost-Niedersachsen. Der ackerbaulich geprägte Landkreis LüchowDannenberg führt das Ranking um den Bio-Flächenanteil in Niederersachsen mit 20 % unangefochten an. Insbesondere die Kombination der drei B´s – Beregnung, Biogas-Anlage und Blattfrüchte steht für modernen Bio-Ackerbau und führt auf den überwiegend gut handhabbaren Böden zu besonderem Erfolg. Man kann sich das unter dem Stichwort „BioPeters“ nahezu täglich auf YouTube ansehen.

Der Betrieb ist nur ein Beispiel unter vielen. Diese Region hat mit Hackfrüchten – allen voran die Kartoffel – mit diversen Sommerungen nach Winterbegrünung, mit vielfältiger Nährstoff-Kooperation und ausgefeilter Produktionstechnik etwas sehr Erfolgreiches geschaffen.

Die Beregnung sichert nicht nur die Wasserversorgung für die Pflanzen. Auch die Stickstoff-Mobilisierung durch die Bodenbakterien wird durch Wasser zur richtigen Zeit mit dem Bedarf synchronisiert. Bio-Ackerbau muss sich vor Ort immer wieder neu erfinden. Die richtige Kombi aus „Stickstoff und Wasser“ gehört immer dazu und das funktioniert in Ostniedersachsen durch die Beregnung sehr gut.

Ertragreicher Bio-Mais

Mais kommt in vielen Regionen beispielsweise dem Emsland im Schnitt der Jahre auch ohne Beregnung aus. Er wächst später im Jahr, er kann mit höheren Temperaturen gut umgehen und als C4-Pflanze erzeugt er in der zweiten Jahreshälfte hohe Trockenmasse-Erträge in kurzer Zeit. Im Norden in maritimer Klimalage ist der Sommer in punkto Regen deutlich sicherer als das Frühjahr (Stichwort „Wacken“). Auf diese Weise wird der Mais über Leguminosen-Vorfrucht und zusätzlich über Hühnertrockenkot versorgt zu einer äußerst leistungsfähigen Bio-Kultur.

Die Verbindung zwischen regionaler Hühnerhaltung und Mais-Anbau ist bilateral von Vorteil. Mais ist ein Top-Energiefutter für die Hühner und der Trockenkot enthält neben dem wichtigen Stickstoff auch pflanzenverfügbares Phosphat – für Mais essentiell. Ein weiterer Vorteil der angesprochenen Veredelungsregion ist, dass namhafte Bio-Futtermühlen die feuchte Ware „just-in-time“ annehmen und die Praxis bei der aufwendigen Trocknung des Maises entlasten. Teilweise wird dafür die Abwärme von Biogas-Anlagen genutzt – ein weiteres Beispiel erfolgreicher Regional-Entwicklung.

Winterwasser nutzen

Die konventionelle Praxis setzt bei zwar mengenmäßig gedeckelter aber ansonsten frei gestaltbarer Stickstoff-Versorgung durch Mineraldünger und Gülle im Schnitt der Standorte beim Getreide überwiegend auf Winterungen. Die kommen sicherer ans Winterwasser und daraus ergibt sich die höhere Produktivität im Vergleich zur Sommerung. Für den Ackerbau stellt sich insbesondere in maritimer Lage dabei eine besondere Herausforderung.

In der dunklen Jahreszeit gehen Wasser und Stickstoff eine eher unheilige Allianz ein. Bei Winterniederschlägen deutlich oberhalb der nutzbaren Wasserkapazität des Bodens und gleichzeitig erheblichen Herbst Nmin-Werten machen sie sich gemeinsam Richtung Grundwasser auf den Weg.

Stickstoff-Verluste gilt es zu verhindern. Soll doch der Stickstoff als Motor des Wachstums genutzt werden und nicht als Schadstoff im Grundwasser erscheinen. Trotz halber Stickstoff-Intensität im Schnitt der Betriebe im Vergleich zu konventionell musste sich auch der Öko-Landbau auf den leichten Böden des Nordens in diesem Punkt neu erfinden.

Ein Beispiel: Insbesondere Bio-Ackerbaubetriebe ohne eigene Tierhaltung setzen zum Teil voll auf die Versorgung der Winterung aus einer Leguminosen-Vorfrucht. Bereits vor über 40 Jahren erlernte ein Berufskollege aus unserer Region dieses Handwerk auf der Schäbischen Alb. In 600 Metern Höhe gibt es dort schwere Böden und ein winterkaltes Klima. Der Norddeutsche wendete das Erlernte Rezept 1:1 auf seinem 50er Sandlöss südlich von Hamburg an – das ist für die betrachtete Region kein schlechter Standort. Ergebnis: Schiffbruch! Nach gutem Kleegras keine 25 dt pro Hektar beim Weizen und wenig Eiweiß. Überhaupt nicht vergleichbar mit dem Erfolg im Süden.

Stickstoff-Management

Die Nmin-Methode wurde in den 1970er Jahren in Südhannover entwickelt. Zentrale Aussage: „Nmin-Rückstände, die sich im Frühjahr im durchwurzelbaren Bodenbereich zeigen, können voll umfänglich für das Pflanzenwachstum angerechnet werden“. Heute findet dieser Sachverhalt in der Düngeverordnung seine Anwendung. Aber auch für Lösungen im Bio-Ackerbau ist der Verlauf der Nmin-Werte beachtenswert.

Kurzer Exkurs: Bio-Ackerbauern in der trockenen Magdeburger Börde versorgen beispielsweise ihre Winterungen 1:1 über diesen Weg. Erst kommt die gut gedüngte Hackfrucht – dann das Wintergetreide. Auswaschung gibt es kaum. Nmin zeigt sich im Frühjahr in voller Höhe wie im Herbst nach der intensiv gepflegten Hackfrucht und düngt dann das Getreide.

Nmob – der parallel zum Bedarf mobilisierte Stickstoff – tritt in Trockenregionen insbesondere zu Getreide dagegen wenig auf. Bekommt der BioWeizen während des Wachstums Farbe, dann stammt in dieser Region der Stickstoff eher aus den Reserven des Unterbodens. Unter bestimmten Voraussetzungen funktioniert das auch in Südhannover.

In Nordhannover findet sich auf den sandigen Böden ohne besondere Vorkehrungen nach nassem Winter dagegen kaum Nmin oberhalb des üblichen Grundrauschens von 20 kg pro Hektar in einer Tiefe bis 90 cm. Hier findet die Nmin-Methode eher im Herbst Anwendung – vorrangig in Wasserschutzgebieten. Ziel ist ein Herbst-Wert < 30-40 kg Nmin zu Beginn der Sickerperiode – meistens ab November, manchmal schon ab Oktober.

Unser Berufskollege mit Ausbildungsort Schwäbische Alb bemühte dieses Instrument, um zu ergründen, was mit seinem Stickstoff nach Umbruch des Kleegrases Anfang Oktober passiert. Anders als auf schwerem Boden und in winterkaltem Klima wird der entscheidende Pflanzen-Nährstoff schnell im noch warmen Boden verfügbar und rauscht bei 300 mm Winterniederschlag ab – dorthin, wo er nicht hingehört. Der findige Landwirt erkannte blitzartig: „Der Ort einer Handlung ist alles!“ und weiter: „Ich habe einen anderen Standort – also muß ich anders handeln.“

Folglich wurde auf dem hitzigen und winternassen Standort der Umbruch auf Mitte November verschoben – ohne Vorrote heil umgepflügt. Der wendende Pflug ist für diesen Verfahrensschritt das ultimative Werkzeug. Dann erfolgt die Mineralisierung im Winter später und verhaltener und die Düngekraft aus der Vorfrucht kommt im folgenden Weizen oder Dinkel an. Auf vergleichbarem Standort südlich Bremen ebenfalls auf 50er SandLöss prüfte der sehr erfahrene Bio-Ackerbauer Wilfried Denker diesen Weg – nach diversen Versuchen mit der üblichen, aber meist enttäuschenden Oktober-Saat. Von da an war Erfolg da – voila! Erkenntnis: Nur Praktiker auf wirklich vergleichbarem Standort können voneinander lernen. Und Ergebnisse vom Versuchsstandort gelten auch nur für wirklich entsprechende Bedingungen.

Erst ab Weihnachten

Ein anderer findiger Landwirt diesmal aus der Region Nienburg – Joachim Stute, der Erfinder der „Weiten Reihe“ – forschte auf anderem Wege aber mit ähnlichem Ergebnis. Durch Dränwasser-Untersuchungen fand er heraus, dass ein Umbruch von düngender Vorfrucht auf seinem 30er Sand eigentlich erst ab Weihnachten erfolgen darf. Folglich waren auf diesem Beregnungsbetrieb Sommerungen wie Hafer und Sommerweizen dominierend. Da es aber nach wie vor keine wirkliche Sommer-Alternative beim Dinkel gibt, lautete der Kompromiss für dieses Getreide: „Es wird die düngende Vorfrucht nicht vor Dezember angefasst – den Rest entscheidet dann das Wetter.“ Teilweise wurde der Winter-Dinkel noch im Februar bestellt.

Stickstoff auffangen

Umfangreiche Erfahrungen der Bio-Praxis mit früher Druschfrucht-Saat ab 10. September zeigen, dass ein relevantes Wegfangen von Sommer-Stickstoff gelingt und ein Ertrag von 30 bis 40 dt aus diesen Reserven erzielt werden kann. Wenn eine frühere Begrünung z.B. nach Kartoffeln oder Weißen Lupinen ohnehin nicht möglich ist, gehen auf diese Weise Marktfrucht-Ertrag und Wasserschutz 1:1 zusammen. Kommt im Frühjahr eine gut terminierte und effizient angewendete Gülle- oder Gärrestgabe hinzu, dann sind auf magerem Standort auch mal 50 dt/ha möglich.

Wichtig ist die Anpassung der Saatstärke an die Saatzeit – 200 Körner/m2 bei Roggen und Triticale und 250 Körner bei virusresistenter Gerste. In der trockenen Altmark – der Heimat von Albert Schultz – gilt heute ein nach Lupine früh gesäter Roggen oder Triticale, am besten noch mit Schweinemist auf die Lupinen-Stoppel gedüngt, als die Antwort auf die Frage nach solidem Biogetreide-Ertrag. Ob der aufgrund der immer milderen Winter interessant werdende Winterhafer irgendwann auch diese Fruchtfolge-Position einnimmt, wird sich zeigen.

Wichtig zur Überprüfung der Herbstaufnahme ist die Erkenntnis, dass eine am 10. September gesäte Pflanze den Stickstoff nennenswert erst ab Mitte Oktober wegfängt – ab der Bestockung. Werden Nmin-Proben zur Kontrolle schon zu diesem Zeitpunkt gezogen, so sollte eine weitere Überprüfung vier Wochen später erfolgen. Der Habitus der Pflanzen ändert sich bis dahin nochmal sehr und die abgeschöpfte Stickstoffmenge sicher auch.

Gustav Alvermann, bio2030.de

FAZIT

  • Jedes für den Ertrag gesicherte Kilogramm Stickstoff im ökologischen Landbau wird über die höheren Marktpreise doppelt so gut verwertet wie konventionell.
  • Eine Win-win-Situation erster Güte zwischen Betriebswirtschaft und Grundwasser-Qualität.
  • Bei sachgerechter Arbeit im ökologischen Landbau ist eine Ertragssteigerung von bis zu oder auch über 50% möglich.
  • Die richtige Nährstoff – respektive StickstoffVersorgung legt die Grundlage für pflanzenbaulichen Erfolg.
  • Erst darauf aufbauend entfalten die passenden Sorten und eine angemessene mechanische Pflege der Kulturen ihre Wirkung.